Julius Evola - Das Hakenkreuz als polares Symbol
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Julius Evola
DAS HAKENKREUZ ALS POLARES SYMBOL
Die nachfolgenden Betrachtungen, die wir über die höhere Bedeutung des Hakenkreuzes
anstellen, würden sich etwas fremdartig ausnehmen, wenn in Deutschland die
Forschungen Herman Wirths über die urnordischen Rassen nicht
bereits bekannt wären. Etwas jedoch, was verdient, stärker betont zu
werden, als es bisher geschehen ist, ist der Umstand, daß die in dieser
Hinsicht zum Ausdruck gebrachten Gedanken in dem, was an ihnen von
tatsächlicher Gültigkeit ist, nicht lediglich die Mutmaßungen eines
modernen Forschers darstellen. Sei können vielmehr verknüpft werden mit
einer Lehre, die, auch wenn ihre Spuren verstreut sind, sich gleichwohl
mit den Merkmalen der Universalität und der Einstimmigkeit bei allen
großen Traditionen der Vergangenheit vorfindet: von der fern-östlichen,
tibetanischen, indo-arischen und irano-arischen bis zur hellenischen,
ägyptischen, gälischen, germanischen und aztekischen. Und für uns steht
fest, daß uns diese Überlieferungen, wenn sie einmal unmittelbar, jenseits
der "postiven" Begrenzungen übernommen würden, mehr zu sagen vermöchten,
als viele zweifelhafte Rekonstruktionen auf philologischer und
paläographischer Grundlage.
Das erste, was sich aus diesem Ideenkreis
ergibt, ist die Integration des Begriffes der arischen oder
indogermanischen oder nordischen Rasse. Was man bis gestern mit diesem
Namen benannte und für einen Urstamm glaubte halten zu müssen, offenbart
sich als eine besondere und verhältnismäßig neue Abzweigung einer viel
älteren und reineren Rasse arktischen Ursprungs, die man richtiger mit dem
alten Namen einer hyperboreischen Rasse bezeichnen könnte. Eine
solche Integration hebt viele Einseitigkeiten und Schwierigkeiten auf, die
den bisherigen Darstellungen der arischen These anhaften. Der arische
Gedanke erhebt sich hier in Wahrheit zu einem universellen Gedanken, indem
er ein Prinzip der Fortdauer und des gemeinsamen Ursprungs von
Kulturelementen aufstellt, die zuerst als getrennt vermutet wurden und die
sich tatsächlich im Morgenland wie im Abendland, im Norden wie im Süden
verstreut finden. Im besonderen erscheint dann auch das Hakenkreuz-Symbol
in neuem Lichte. Man weiß ja um die Schwierigkeiten, auf die der Gedanke
eines Ernst Kraus oder Ludwig Müller stieß, demzufolge dieses Symbol in
den alten Zeiten nur den indogermanischen Stämmen eigen gewesen wäre.
Schon 1896 hat der Amerikaner Thomas Wilson und später der
Italiener Alberto Mosso eine Karte ausgearbeitet, aus der klar
hervorgeht, daß sich das Hakenkreuz auch an Orten findet, die, wie
Kalifornien, Mittelamerika, der Ferne Osten, Mesopotamien, Nordafrika
usw., gewiß nicht als Heimatsitze der indogermanischen Rasse betrachtet
werden können. In Beziehung zur nordischen Urrasse nimmt jedoch diese
Schwierigkeit ab. Vereinigt man die Wegesrichtungen, die von Wirth als die
mittelbaren oder unmittelbaren Ausstrahlungen der nordischen Rasse als
Führerrasse bezeichnet werden, mit dem, was im weiteren aus den
Zeugnissen, die uns die alten Überlieferungen bieten können, hervorgeht,
so vermögen wir uns sehr wohl die Verbreitung des Hakenkreuz-Symbols in
der Welt zu erklären - auch jenseits der Herrschaftsgebiete der
indogermanischen Rassen, insofern dann diese Rassen jeweils nur
eine der Ausstrahlungen der nordischen Urrasse wären.
Als
zweites ist der solare, der sonnenhafte Charakter festzuhalten,
welcher der nordischen Urkultur eignet. Das geht unmittelbar aus den
übereinstimmenden Zeugnissen hervor, die uns die Überlieferungen der alten
Völker hinsichtlich der arktischen Urheimat bieten. Das hyperboreische
Land der iranischen Arier, airyanem waêjô, wird in der Avesta allegorisch
aufgefaßt als die Heimat sowohl des sonnenhaften "Ruhms" als auch des
Yima, des "Strahlenden, Ruhmreichen, desjenigen, der unter den Menschen
der Sonne gleicht". Çweta-dwîpa oder uttara-kuru, das heilige Land
des äußersten Nordens, wird von den Indo-Ariern aufgefaßt als die "weiße
Insel" oder "Insel des Glanzes", als die Heimat des Narâyâna, "in
welchem ein großes Feuer brennt, das nach allen Seiten hin
ausstrahlt". Das hellenische der Hyperboreer wird wieder verknüpft mit dem
sonnenhaften und strahlenden Apoll. Von Thule, das mit ihm
verschmilzt, wird es heißen: "a sol e nomen habens". Das aztekische
Tullan oder Tlallocan (das auch ethymologisch dem hellenischen Thule
entspricht) verschmilzt mit dem "Haus der Sonne". Gimle oder
Gladsheim, in der Urheimat der Asgard, wird in der Edda ewig,
golden und strahlend wie die Sonne genannt. Dasselbe gilt
für das geheimnisvolle "nördlich des nordischen Meeres gelegene" und von
"transzendenten Menschen" bewohnte Land, an das die Überlieferungen des
Fernen Ostens erinnern, und für das mystische Chambhala, die "nordische
Stadt" der vorbuddhistischen tibetanischen Überlieferung der Bön. Und so
ließe sich fortfahren.
Das ist nun ein symbolisches Zeugnis, das auf
zwei Elemente zurückgeführt werden kann: auf die Idee eines
Sonnen-Kults und auf die Idee einer sonnenhaften Herrschaft.
Was den ersten Punkt anbelangt, so weiß man, daß die Rekonstruktion Wirths
dazu neigt, den nordisch-atlantischen Urrassen eben eine gemeinsame
Religion des sonnenhaften Typus zu geben. Wenn eine solche Annahme
traditionell durchaus im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegt, so bedarf
sie gleichwohl einer genaueren Begründung, auf die wir noch hindeuten
werden. Unterdessen beachten wir folgendes: daß zwischen Sonne und
göttlichem Feuer immer eine innige Beziehung bestand, die übrigens von den
indogermanischen Spuren leicht ablesbar ist. Der Kult des Feuers
verknüpfte sich sowohl mit der uranischen und "sonnenhaften" Komponente
des patrizischen Ritus in der traditionellen Antike (Bachofen), wie auch
mit dem Begriff vom sonnenhaften und "göttlichen" Königtum selbst, d.h.
der Funktion, die in den verschiedenen Kulturen die ursprüngliche
Führerrasse in hohem Maß zu verkörpern vermochte: der iranisch-arische
"Ruhm", hvarenô, der die Könige macht (gleich dem agni-rohita, dem
vedischen Feuer als "erobernde königliche Kraft", und dem Feuerfluidum
"Lebens-Kraft", ânshûs, des ägyptischen Königtums), ist ein
Sonnen-Feuer. Aber hier haben wir die erste und einfachste
Beglaubigung des Hakenkreuz-Zeichens als nordisches Symbol. Tatsächlich
ist allgemein bekannt, daß das Hakenkreuz, in seiner besonderen Beziehung
zum alten Swastika, häufig als Feuer- und als Sonnensymbol gegolten hat.
Man muß nur über die "naturalistische" Reduktion solcher Begriffe
hinausgehen. Ein unverrückbarer Punkt für jede ernsthafte Forschung muß
sein, daß der antike Mensch die Naturkräfte nicht abergläubisch
"vergottete", sondern sie vielmehr als Symbole zum Ausdruck höherer
Bedeutungen verwandte. Der "naturalistische" Charakter gewisser Symbole
empfängt seinen rechten Sinn nur von der Voraussetzung her, daß die wahre
Symbolik, weit entfernt davon, willkürlich und "subjektiv" zu sein, sich
auf diejenigen Seiten der Natur bezieht, denen zufolge sie selbst als ein
großes Symbol sich darbietet. Nun muß man vergessen, daß allen Völkern die
Flamme stets als eine göttliche Offenbarung erschien; vergessen, daß bei
den alten Ariern ein genaues heiliges Ritual der Entzündung und der
Bewahrung des Feuers voranging; daß sich mit dem Feuer ausdrücklich sowohl
die mystische Kraft der "Helden" eines Geschlechts wie auch der "Sitz der
Ordnung" verknüpfte, und so fort - um auf den Gedanken zu kommen, daß das
Hakenkreuz als Feuersymbol nur eine naturalistische Umformung des
primitiven Werkzeuges sei, das bei gewissen Völkern zum Entzünden der
Flamme diente. Das Hakenkreuz gesellt sich zu dem zeugenden Prinzip von
Feuer und Licht, aber in einem höheren Sinn: im geistigen und, wir können
sagen: im königlichen Sinn. Im höchsten Sinn kann es sich das
geheimnisvolle Siegel des Ur-"Lichts und -Feuers" nennen, die dazu
übergegangen sind, in den herrschenden Kasten sich auszuwirken und zu
entzünden, in "sonnenhafter" Funktion über die unterwertigen Kräfte und
Rassen.
Hier ist der Augenblick gekommen, um zum Kernpunkt unserer
Betrachtungen überzugehen, eben in bezug auf das Hakenkreuz nicht nur als
Feuersymbol, sondern auch als polares Symbol. Aus den verschiedensten
Zeugnissen geht hervor, daß die von den Führern der großen
traditionsverwurzelten Kulturen verkörperte "sonnenhafte" Funktion mit der
eines "Pols" verglichen wurde. Der Führer stellte die
Beständigkeit, den unbeweglichen Punkt dar, um den sich die geordnete
Bewegung der Kräfte vollzieht, die ihn hierarchisch gestuft als rex (rex
von regere) umkreisen. Hier handelt es sich um die tiefere Bedeutung der
fern-östlichen Bezeichnung: "Unveränderlichkeit in der Mitte", in
Verbindung zu bringen mit dem Worte des Kong-tse: "Derjenige, der
vermittels der Tugend (virtus) herrscht (der himmlischen, aus der
Unveränderlichkeit in der Mitte geborenen), gleicht dem Polarstern.
Er steht fest auf seinem Platze, aber alle Sterne kreisen um ihn". Im
übrigen ist der aristotelische Begriff des "unbeweglichen Bewegers" eine
theologische Übersetzung derselben Auffassung - wiederzufinden in der
Bezeichnung, die im Sanskrit die Funktion des "Herrn der Welt", des
cakrawartî, ausdrückt. Cakravartî heißt "derjenige, der das Rad kreisen
läßt", das Rad des regnum, indem er als der unbewegliche Punkt, der "Pol",
erscheint, der Mitte und Halt für dessen geregelte Bewegung bildet. Im
tieferen Sinn besteht hier jedoch auch eine Beziehung zu dem, was man
olympische Überlegenheit nennen könnte. Das "polare" Symbol ist das
einer unwiderstehlichen Kraft in ihrer gelassenen Überlegenheit, einer
vollkommen beherrschten Macht von oben, die sich sozusagen durch ihre
bloße Gegenwart legitimiert; die das unvermittelte und bedrohliche
Erlebnis von etwas Transzendentem bewirkt: eine Erscheinung der
Beständigkeit der "Welt des Seins" oder Überwelt, die oft selbst durch ein
Feuersymbol dargestellt wurde. Und das ist auch der Sinn des
Sonnensymbols, das der hyperboreische Gott Apollon verkörpert: denn
dieser, als Phoibos, ist nicht die auf- und untergehende Sonne, sondern
die Sonne als ruhiges und gleichmäßig herrschendes Licht: gleich diesem
Licht selbst, das eben die Olympier umgibt und die reinen, von der Welt
der Leidenschaft und des Werdens aufgelösten geistigen Substanzen. Wie in
der Funktion des sonnenhaften Herrschers, angefangen bei dem symbolischen
hyperboreischen König Yima, so spiegelt sich auch im Kreis der großen
nordisch-arischen Gottheiten des Tages, des leuchtenden Himmels und des
Lichtes eben dieses Thema wider, finden sich tatsächlich Spuren einer
olympischen Ur-Geistigkeit.
Nun ist eines der ältesten Symbole
dieser Geistigkeit und auch der "polaren" Funktion, in die sie sich in
bezug auf ein gegebenes hierarchisches System übersetzt, außer dem Kreis
mit dem Mittelpunkt, der schon von den Menhirs riesenhaft nachgezogen
wurde, eben das "Kreuz des Gletschers", das Hakenkreuz. Tatsächlich ist
das Hakenkreuz nicht nur ein Symbol der Bewegung, wie einige vorgeben,
sondern, wie schon Guénon aufgezeigt hat, das Symbol einer
Kreisbewegung, die sich um eine unveränderliche Mitte oder Achse
vollzieht: und der feststehende Punkt ist das Grundelement, worauf sich
das in Frage stehende Symbol bezieht. Und wenn das Hakenkreuz auch ein
Sonnensymbol ist (das Rad des sonnenhaften Vishnu), so steht es doch immer
in Beziehung zu dieser Idee, d.h. es handelt sich nicht um die bloße
"Revolution" der Sonne, sondern um das Sonnenprinzip, zurückgeführt auf
ein beherrschendes zentrales Element, auf eine unveränderliches
"olympisches" Element. In diesem Sinne ist das Hakenkreuz ein "polares"
Symbol, das schon in der ältesten Vorgeschichte jene Bedeutungen
offenbarte, die es in den glänzenden Zyklen der arischen, von der
nordischen Urkultur herkommenden Mythologien und Königsherrschaften
ausdrücken sollte.
Einen Schritt weiter macht man mit der
Feststellung, daß das "polare" Symbol auch auf bestimmte Kulturen oder
Kulturzentren sich beziehen ließ, wenn eben diese eine ihm entsprechende
Funktion in der Gesamtheit der Geschichte verkörperten. So hieß das
Chinesische Reich das "Reich der Mitte"; Meru, der symbolische
indo-arische Olymp wurde als der "Pol" der Erde betrachtet; die Symbolik
von Omphalos, die dazu überging, sich auf den traditionellen Mittelpunkt
des dorisch-olympischen Hellas, auf Delphi zu beziehen, führt uns auf
dieselbe Bedeutung zurück; das eddische Asgard, aufgefaßt als die
mystische Urheimat der nordischen Königsgeschlechter, fiel mit Mitgard
zusammen, das eben Sitz oder Land der Mitte bedeutet. Sogar der
Name Cuzco, der Mittelpunkt des Sonnenreiches der Inkas, scheint gleich
Omphalos den Gedanken eines "Mittelpunkts" der Erde auszudrücken.
Andererseits ist von einigen hervorgehoben worden, daß Tulâ (in Verbindung
zu bringen mit der hellenischen oder auch amerikanischen Bezeichnung der
Heimat der Hyperboreer) im Sanskrit "Wage" bedeutet und daß im besonderen
das Tierkreiszeichen diesen Namen trägt: aber einer chinesischen
Überlieferung nach ist die Himmelswaage anfänglich der Große Bär gewesen,
und diese Beobachtung - abgesehen davon, daß der Bär eine bezeichnende
Figur im Kult hyperboreischer Herkunft ist - ist von größter Wichtigkeit,
weil die Symbolik, die sich zum Großen Bären gesellt, natürlich eng an die
des "Poles" gebunden ist, welche das Hakenkreuz gleichfalls enthält.
Der heute durch Wirth wieder aufgenommene Gedanke ist nun, daß die
Urheimat der weißen Rasse, der Stammutter der indo-germanischen und
arischen Rassen, das arktische Gebiet, d.h. das Polargebiet gewesen sei;
und zwar in einem Zeitabschnitt, der durch die Inklination der Erdachse
und die Variation der Aequinoktien hervorgerufenen Vereisung vorangeht.
Und hier hat ein suggestiver und höchst bedeutungsvoller Gedanke seine
Wurzel: nämlich der eines Zusammentreffens von Symbol und Wirklichkeit,
von Metaphysik und Physik, eben unter dem Zeichen des "Pols". Wir
möchten sagen, daß uns der vorgeschichtliche "polare" Zyklus der
nordischen Urrasse als der Urausdruck der "olympischen" Geistigkeit selbst
und der "polaren" Funktion selbst gelten könnte, der dann überall dort zur
Auswirkung gelangte, wo er durch Anpassung oder Ausstrahlung zu neuen
Kulturen und neuen Traditionen geführt hat, die verschieden in der Form,
aber einheitlich im Geiste waren. Das Symbol des "Mittelpunkts" und des
"Pols" kann unter diesem Gesichtspunkt eine Art traditionelles und
übergeschichtliches Erkennungszeichen sein, da sich ursprünglich an eine
völlige Übereinstimmung von Wirklichkeit und Symbol hält, im Hinblick auf
eine Heimat, die auf den geographischen Pol der Erde fällt und
gleichzeitig Wert und Funktion eines geistigen Ur-"Poles" hat.
Wir
setzen diesen Gedanken lediglich auseinander. Um ihn voll zu
rechtfertigen, müßten wir uns hier auf ein Feld von Betrachtungen begeben,
daß so ausgedehnt ist, daß wir ihm einen großen Teil eines besonderen
Werkes widmen mußten. Aber wir können einen grundlegenden Punkt nicht
übergehen, in bezug auf das Hakenkreuz als nordisches und "polares"
Symbol.
Unserer Ansicht nach ist Wirth in den Irrtum verfallen, auf
die gesamte nordische Tradition einen Kult sich erstrecken zu lassen, der
sich in Wahrheit an eine schon verfälschte und "versüdlichte" Form von ihr
hält. Wie man weiß, schenkt er seine besondere Aufmerksamkeit der
Wintersonnenwende; und der meint, daß der immerwährende Wechsel von Tod
und Auferstehung der Sonne als Jahresgott - auf dem Untergrund eines
unveränderlichen, vorwiegend in weiblicher Form dargestellten Prinzips
(Erde, Wasser, Mutter, Schlange, Haus usw.) - das Geheimnis des
urnordischen Glaubens sei. Hier erscheint die Sonne als eine Natur, die
Auf- und Untergang hat, Tod und Auferstehung, kurz: Genesis und
Passion. Unsterblich und unveränderlich ist für ihn eher die
Mutter, die Quelle des Lebens, in welcher der Sonnengott alljährlich
stirbt und aufersteht. Nun braucht man sich nur an das zu halten, was
schon Bachofen in seinen Forschungen über die mittelmeerländische
Mythologie in überzeugender Weise dargelegt hat, um sich von dem recht
wenig nordischen und sonnenhaften Charakter einer solcher Auffassung
Rechenschaft zu geben, die sich in Wirklichkeit an den chthonischen Zyklus
des südlichen, vor-arischen und später sogar semitischen
Mutterrechts hält - den Zyklus der großen asiatischen Göttinnen der
Fruchtbarkeit. Unlängst hat Alfred Rosenberg eben diese merkwürdige
Ideenverwirrung aufzuzeigen gehabt, die bei Wirth sicherlich dem Umstand
zuzuschreiben ist, daß die zu den ältesten Epochen, d.h. zum nordischen
Zyklus gehörigen Zeugnisse oft mit denjenigen vermengt sich finden, die
späteren und schon vermischten Zeitaltern und Kulturen eignen. Während
Wirth richtig eine nordisch-arktische (hyperboreische) Rasse von einer
nordisch-atlantischen unterscheidet, hat er es versäumt, eine
dementsprechende Unterscheidung im Hinblick auf die Symbole und Motive zu
treffen - er hält sich in dieser Beziehung sowohl an die eine wie die
andere. Schon nach dem Zeugnis der Avesta erscheint Mô-uru, d.h. das Land
und die Kultur der "Mutter", nur als die dritte der "Schöpfungen",
also als ein von dem nordischen des airyanem waêjô schon entfernter
Zyklus.
Wenn im Kreislauf des Jahres der Vorrang der Wintersonnenwende
in Beziehung zur "polaren" Symbolik steht (Nord-Süd), während der der
Aequinoktien an die Richtung der geographischen Länge gebunden ist
(Ost-West) - so ist gleichwohl das Thema der Passion, des Todes und der
Auferstehung des Sonnengottes in der Mutter, kurz, das Thema eines in die
Götterwelt hineingetragenen Werdens und ewigen Wechsels im
Wesentlichen ein antiolympisches, der höheren nordisch-arischen
Geistigkeit unzugängliches Thema. Es ist ein den Einflüssen des Südens
zuzuschreibendes Thema und bedeutet im Grunde: Dionysos gegen Apollon,
Loki gegen die Asen, das wirre Verlangen der irdischen Wesen nach einer
pantheistischen Ekstase gegenüber dem ruhigen Selbstbewußtsein und der
natürlichen Übernatürlichkeit der "göttlichen" Rassen. Was Wirth uns sagt,
läßt sich folglich als eine synkretistische Symbolik auffassen, die schon
fern ist vom reinen urarischen Kult und vielleicht richtiger auf die
nachfolgende "atlantische" Kultur bezogen werden kann, nachdem wir in den
"atlantischen" Zeugnissen tatsächlich zahlreiche Spuren eines
gynäkokratischen Themas wiederfinden.
Das "Polar"-Kreuz, das
Hakenkreuz dagegen ist das Symbol der von solchen Vermischungen noch nicht
verfälschten Uranschauung, es kann uns folglich als ein wahres nordisches
Zeichen im höheren Sinn gelten. Und zwar deshalb, weil, wie wir schon
sagten, das Grundthema dieses Symbols nicht der Wechsel ist, sondern eine
Mittelpunktswirkung, der er zugeordnet bleibt. Auf solcher Grundlage
erlangen auch die Sonnen- und Feuersymbole, die das Hakenkreuz gleichfalls
enthält, eine ganz andere Bedeutung, welche unmittelbar in Verbindung
tritt mit dem deutlich uranischen Sondercharakter der arischen und
arisch-hyperboreischen Gottheiten und Kulte, mit dem Patriziersystem des
strengen Vaterrechts, mit alldem, was im Geiste wie im Ethos und in den
Sitten gleichbedeutend ist mit Männlichkeit, wahrer Herrschaft, Ordnung
und Kosmos, der über das Chaos triumphiert.
In solchem
Ideenzusammenhang könnte uns das Hakenkreuz tatsächlich zu einem Inhalt
des nordischen Gedankens hinführen, zu einem Inhalt, der im höheren Sinn
"klassisch" und dorisch genannt werden kann, in bezug auf dienen Stil der
Zentralität, der innerlichen "olympischen" Ueberlegenheit, der Klarheit im
Schoße jedes "Feuers" und jeder Kräfteauslösung. Nach einer uralten
Ueberlieferung sollen die, die zur Herrschaft vorbestimmt sind, die Vision
eines himmlischen Rades haben: einem Rad gleich, umwälzend und bezwingend,
wirkt der also Gezeichnete. Aber gleichzeitig verkörperte das Rad rta,
d.h. die Ordnung, das geistige arische Gesetz, dargestellt als ein
göttlicher Wagen in Fahrt. Die Verbindung dieser beiden Begriffe gibt den
Grundgedanken des sich bewegenden Hakenkreuzes selbst: wirbelndes und
sieghaftes Rad, das Feuer und Licht erzeugt, doch mit einer gefestigten
Ruhe, einer unwandelbaren stetigen Beständigkeit in der Mitte.
Als die
nordische Urheimat in der Ferne der Zeiten entschwand, wechselte die
Erinnerung daran von der Geschichte zur Uebergeschichte hinüber, womit sie
die Bedeutung einer weichenden Wirklichkeit annahm, erreichbar nicht mehr
auf äußeren Wegen, sondern einzig durch die geistige Tat. Und so sagt
schon Pindar, daß der Weg der Hyperboreer weder zu Wasser noch zu Land
gefunden werden kann, sondern sich nur den Helden erschließt, die
wie Herakles treu bleiben dem olympischen Prinzip; so berichtet
Li-tse, daß man ins geheimnisvolle Gebiet des äußersten Nordens "weder mit
dem Schiff noch mit dem Wagen vordringen kann, sondern es nur mit dem
Fluge des Geistes erreicht"; so heißt es von Chandhala, der
hyperboreischen Heimat der tibetischen Ueberlieferung, gleichermaßen: "es
ist in meinem Geiste".
Vielleicht kann nichts besser als das Zeichen
des Hakenkreuzes auf diesen inneren Weg hinweisen, nämlich den Weg, um vom
Gipfel der nordischen Tradition aus auch heute eine Auferstehung der neuen
tiefinnerlichen Kräfte Deutschlands zu bewirken. In Wahrheit steckt schon
in der indo-arischen Entsprechung der Hakenkreuzes, dem Swastika, die gute
Vorbedeutung. Swastika läßt sich tatsächlich als das Monogramm auslegen,
das aus den Buchstaben zusammengesetzt ist, welche die Glückwunsch-Formel
su-asti bilden, gleichbedeutend mit dem lateinischen "bene est" oder "quod
bonum faustumque sit". "Was gut und glücklich ist, es sei!" Es
hätte kein besseres Symbol gefunden werden können, um die
Wiedergeburts-Gewißheit und den Geltungswillen einer der großen Erb-Rassen
der hyperboreischen Urherrscher zum Ausdruck zu bringen gegenüber den
dunklen Kräften der Finsternis, die im Begriff waren, sie zu überwältigen.
(Deutsch von Friedrich Bauer)
(aus: Hochschule und Ausland, 1934/35, S. 37-46)